
Erinnerst du dich an meine Begeisterung für den Nordländer Anorak von Roughstuff, den ich auf der Outdoormesse in Friedrichshafen im Jahr 2018 das erste Mal entdeckte? Ich habe ihm im Rückblick sogar meinen ganz persönlichen Gold-Award verliehen.
Um euch nun einen ausführlichen Test zu bieten, war schon ein bisschen Überzeugungsarbeit nötig. Denn natürlich hat das Unternehmen nichts zu verschenken. Warum mir der Test so wichtig war und wie mein Ergebnis lautet, erfahrt ihr in diesem Beitrag.
Bevor du weiterliest: Die Marke Roughstuff gibt es so eigenständig nicht mehr, sie wurde aufgekauft. Leider scheint Petromax den Nordländer Anorak nach seiner Übernahme von Roughstuff aus dem Programm genommen zu haben.
Warum überhaupt ein Test vom Roughstuff Nordländer Anorak? Du hast doch schon einen.
Ja, das stimmt. Und ich bin mit meinem selbstgenähten etaproof-Anorak weiterhin sehr zufrieden. Und mein Beitrag darüber stellt auch einen Besuchermagnet dar. Er zählt nach wie vor zu den meistbesuchten Seiten auf Winterfjell. Oft erreichen mich Anfragen nach Tipps für eigene Nähprojekte anderer Nutzer*innen, die ich gerne beantworte. Manchmal kommen aber auch Anfragen von Leuten, die nicht selbst nähen können oder möchten. Diese wollen wissen, ob ich eine vergleichbare Jacke empfehlen kann, die käuflich zu erwerben ist. Und genau dort lag bisher mein Problem.
Meine bisherige Recherche lieferte leider kein vollständig zufriedenstellendes Produkt. Entweder handelte es sich nicht um einen Schlupfanorak (beispielsweise die Frede Jacke von Nordwärts) oder der Anorak fiel einfach sehr klein aus (Tilak Odin; leider in XXL so eng geschnitten wie eine L). Reine Baumwolle kam wegen des fehlenden Nässeschutzes gar nicht erst in Frage. Ich konnte also keine wirklich passende Alternative bieten. Das änderte sich schlagartig mit dem Nordländer Anorak, den ich nun schon öfter als Alternative zu einem eigenen Nähprojekt empfohlen habe. Ich möchte ihn daher mit meiner selbstgenähten Jacke ein wenig vergleichen. So siehst du die Unterschiede und damit verbundenen Vorteile der beiden Anoraks und kannst selbst entscheiden, was besser zu dir passt. Die rote Jacke auf den Bildern ist also entsprechend meine eigene Kreation.
Ergebnis der Vorgeschichte
Um die Vorgeschichte noch kurz abzuschließen: Nach der Messe blieb ich mit der Firma in Kontakt und wir diskutierten ein wenig über die Möglichkeiten eines Tests. Gleichzeitig habe ich eine Größenberatung bekommen, damit das Testmodell auch passt. Ich möchte mich an dieser Stelle für die tolle Unterstützung bei der Deubelskerle GmbH bedanken. Das Testmodell ist mir auf meine Initiative kostenfrei und ohne Auflagen zur Verfügung gestellt worden. Doch nun endlich zum Anorak selbst.

Nordländer Anorak von Roughstuff
Der Anorak ist zunächst einmal ein klassischer Schlupfanorak. Das Aus- und Anziehen ist also augenscheinlich mit etwas mehr Aufwand verbunden. Dafür kann nirgends der Wind hereinziehen und der weite, lange Schnitt schafft viel Bewegungsfreiheit. Außerdem ist dieser Stil unschlagbar und man sieht eben aus wie ein echter „Nordländer“! Gefällt mir.
Der Nordländer Anorak ist aus mittelschwerem Performance Cotton, welches in seinen Eigenschaften als analog zu den Marken etaproof oder Ventile gesehen werden kann. Die Materialien sind vergleichbar in ihrer Funktion. Diese liegt darin, aus extrem dünnen Baumwollfäden gesponnen zu sein, die zum einen winddicht und dennoch sehr atmungsaktiv sind, zum anderen aber bei Feuchtigkeit aufquellen. Dadurch wird der Stoff eine begrenzte Zeit lang wasserdicht. Ein Wachsen des Stoffes wie bei Baumwollmischgeweben üblich wäre in diesem Fall sogar kontraproduktiv, da hierdurch die Atmungsaktivität eingeschränkt würde.
Verarbeitung
Die Verarbeitung des Nordländers ist überaus positiv. Keine hängenden Fäden, alle Nähte sauber verarbeitet und schön gerade gezogen. Da kann ich als Laie natürlich nicht ganz mithalten. Der Stoff ist absolut winddicht und auch am Lagerfeuer brennt dir nicht jeder kleinste Funke ein Loch in den Stoff. Die Jacke wirkt in der Haptik sehr robust, was sie auf zwei längeren Touren nun auch bewiesen hat. Für Neulinge im Umgang mit dieser Art von Baumwolle sei der Hinweis gestattet, dass leichte Verfärbungen an stark beanspruchten Stellen vollkommen normal sind und die Funktion nicht beeinträchtigen.
Merke: Tragespuren sind Trophäen!

Aufbau und Schnitt
Dass es sich um einen Schlupfanorak handelt, hatten wir geklärt. Besonders ist als zweites der Kragen des Nordländers zu nennen. Dieser lässt sich mit einem Zipper gut schließen und liegt auch schon ohne Benutzung der Kapuzeneinstellung dicht an. Der Zipper ist mit einem großen Keil hinterlegt, sodass zum einen kein Wind durch den Zipper pfeifen und zum anderen der Kragen auch bei geöffneten Zipper gut aufgestellt werden kann. Gerade wenn es mal etwas wärmer wird, lässt sich hier gut die Belüftung regulieren, ohne dass du die Jacke gleich ausziehen musst. Außerdem sieht es toll aus und erinnert an die klassischen Polaranoraks.
Die Kapuze hat zwar konstruktive Unterschiede zu meiner selbst genähten Jacke, beide erfüllen aber in ihrer Funktion die Ansprüche vollends. Denn beide Kapuzen sind etwas tunnelförmig geschnitten, damit das Gesicht gut vom Wind geschützt wird. Sowohl mit dünner als auch mit dicker Mütze lassen sie sich gut tragen und auch bei der Skibrille bleibt die Wahl noch frei, ob du sie lieber über die Kapuze ziehen magst oder darunter.
Damit dir kein Wind unter den Anorak weht, kannst du die Jacke an der Taille mit einem Kordelzug schließen. Das funktioniert recht gut und sitzt bei mir auf einer guten Höhe. Mein gleichgroßer Tourenpartner und Testkandidat Thomas ist jedoch der Meinung, dass der Taillenzug noch ein kleines wenig weiter unten sitzen könnte.
Wieder der kurze Vergleich: Da bei meiner eigenen Jacke der Gummizug im unteren Saum sitzt, lässt sich alles variabel auf die richtige Höhe schieben, sieht dafür aber natürlich deutlich sackiger aus.

Taschenkonzept
Das Taschenkonzept unterscheidet sich zwischen meinem Anorak und dem Nordländer stark. Bei meiner Jacke habe ich unten eine durchgehende Schlauchtasche mit zwei Reißverschlüssen und oben eine Känguruhtasche ebenfalls mit Zipper. Für das Aufwärmen der Hände ist hier eigentlich keine gedacht.
Der Nordländer Anorak hat stattdessen unten zwei Einschubtaschen mit Klappe, in denen sich sehr gut Handschuhe und Ersatzmütze oder Taschentücher verstauen lassen. Diese Taschen können zwar nicht vollständig verschlossen werden, aber bisher ist mir weder etwas herausgefallen noch ist im Schneesturm Triebschnee eingedrungen. Ich würde sie daher als relativ dicht bezeichnen.
Als obere Tasche findet sich eine Schlauchtasche, die mit warmen Wollvlies ausgefüttert ist. Zwar eignet sich diese Tasche nicht so gut, um darin Gegenstände zu verstauen, aber zum Aufwärmen der Hände ist sie großartig, sozusagen ein mobiler Muff. Auch mit klammen, kalten Fingern stellt sich schon nach kürzester Zeit ein wohliges Gefühl ein, sobald du die Hände in die Handwärmtasche schiebst. Auch die Höhe der Öffnungen passt perfekt, sodass die Arme und Hände eine gute Ruheposition haben. Du kannst so z. B. wunderbar herumstehen und von bisherigen Abenteuern berichten, ohne kalte Hände zu bekommen. Das führt mich auch zu der Wintertauglichkeit der Jacke.
Wintertauglichkeit
Die warme Handwärmertasche bietet einen enormen Komfort, aber das reicht natürlich noch nicht für unseren typischen, etwas speziellen Einsatz auf Wintertour. Wichtig sind ebenfalls die Möglichkeit, alles abzudichten und eine gute Passung zum Pulkagurt. Das haben wir auf einer Wintertour in der Rondane ausführlich erprobt und begutachtet. Mit windigen Tagen um 15 m/s bei -15° Celsius, aber auch 2° Celsius und Sonne hatten wir die besten Testbedingungen.
Kapuze
Die Windtauglichkeit ist durch die weite, aber gut verstellbare Kapuze absolut gegeben. Sie lässt sich dicht verschließen und bietet die Möglichkeit zum Nachrüsten eines Pelzkragens. Dieser ist jedoch nicht enthalten. Während mein Kapuzenfell einzuknöpfen ist, hat Roughstuff an seiner Nordländer einen einzipbaren Fellkrangen vorbereitet. Das gefällt mir ziemlich gut, weil es kein extra Zubehör mit Aufpreis ausmacht und einfach bis zum Ende gedacht ist.
Auch der Streifen zur Befestigung des Fells ist in jeder Jacke bereits vorhanden, das Fell hingegen musst du dir selbst suchen. Hintergrund ist, dass Roughstuff dir selbst die Entscheidung überlassen möchte, ob du Kunstfell oder echten Pelz verwenden willst. So kannst du z. B. auch gut von alten Jacken recyceln, denn der Pelz ist oft langlebiger als die Jacke. Sofern du dich für einen Naturpelz entscheidest, kann die Firma dir bei dem Kontakt zu einem erfahrenen Kürschner helfen. Meine Meinung dazu: Für den tiefen Winter kommt eigentlich nur Naturpelz in Frage. Bei Lifestyle ist ein Fellkragen meistens Quatsch.
Pulkakompatibel
Weiterhin muss natürlich auch ein Pulka-Zuggeschirr zu den Taschen und dem Schnitt des Anoraks passen. Zum Glück ist das geschickt gelöst, sodass der Gurt genau zwischen der oberen Schlauchtasche und den beiden unteren Taschen sitzt. Die Funktion bleibt damit vollständig erhalten, ohne dass es irgendwo drückt. Ebenso verhielt es sich mit einem großen 70 Liter Rucksack in der Pfalz, der Gurt saß auch dabei genau richtig.

Weitere Eigenschaften
Die Jacke sitzt in XXL bei mir (sonst XL) sehr gut und erlaubt auch noch genügend Schichten darunter. So wurde es mir letztendlich von Roughstuff empfohlen. Lasse dich dafür also im Zweifel ebenfalls beraten oder bestelle im schlimmsten Falle eine Auswahl, wovon du eine wieder zurückschickst. Die Schultern fallen gut, egal wie breit oder schmal du bist. Da ist der Schnitt einer klassischen Polarjacke einfach dankbar. Auch die Länge schützt die empfindlichen Körperstellen im Schritt und am Po ausreichend vor Wind. Vorne kann der Nordländer im Anorakbund für mehr Bewegungsfreiheit aufgeknöpft werden, wenn du z. B. mal ein Stück klettern willst.
Kritische Anmerkungen
- Der Schnitt gefällt mir insgesamt sehr gut. Es gibt jedoch eine kleine Anmerkung zu der Ärmellänge am Serienmodell, die bei mir nur ausreichend ist. Versteht mich nicht falsch, sie ist noch nicht zu kurz, aber es reicht wirklich gerade so. Hätte ich mich ohne Beratung für das Modell in XL entschieden, wäre sie wahrscheinlich zu kurz. Auch Thomas ging es beim Tragen auf Tour so, obwohl er sonst ebenfalls XL trägt. Hier wären also 2 cm mehr eine gute Sache für unsere Proportionen. Das ist natürlich bei jedem anders und Roughstuff bietet daher an, den Schnitt der Jacke auf Wunsch vor der Fertigung anzupassen. Was ich dir raten will, ist zusammengefasst: Achte einfach darauf, dass die Ärmel bei dir lang genug sind. An den Ärmeln dienen Klettverschlüsse für eine gute Einstellbarkeit. Auf unserer Tour machte es daher mit Handschuhen sowieso nichts aus, da die Stulpen über den Ärmel saßen und alles abgedichtet war.
- Ich würde wohl an verschiedenen Stellen kleine Druckknöpfe nachrüsten. Zum einen würde ich die Taschen unten damit zusätzlich etwas sichern. Zum anderen hätte ich am Ärmelbündchen eine Rastposition (ganz offen) und eine geschlossene Position (Arm möglichst eng umschlossen) mit Druckknöpfen ergänzt. So kann der Klettverschluss etwas unterstützt werden, wenn er doch mal vereist und nicht mehr richtig halten will. Lässt sich halt nur nicht in Serie fertigen, weil es auf den Arm angepasst werden müsste.
- Was ich ebenfalls vermisst habe, ist eine Aufhängeschlaufe innen oder außen unter der Kapuze. Ich nutze so etwas gern, um die Jacke aufzuhängen.
- Sehr lobenswert ist hingegen die Fertigung in Deutschland und die Nachhaltigkeit von einer Produktion ohne Schafstoffe wie PFC in der Baumwolle.
Fazit nach zwei Touren mit der Jacke
Natürlich sind wir alle etwas geprägt von der vielen Werbung der Outdoorindustrie für noch bessere Membranen und hochtechnische Stoffe, die man „unbedingt haben muss“. Klar kann man da etwas skeptisch sein, mit einer Baumwolljacke auf Wintertour zu gehen. Wenn du dann das erste Mal solch einen Anorak trägst, fühlt es sich auch auf der Haut plötzlich ganz anders an. Viele erleben das erste Tragegefühl als etwas kühler als in einer Hardshell.
Das liegt meiner Erfahrung nach ganz einfach daran, dass das Mikroklima in der Jacke deutlich weniger schwitzig ist als in einer Hardshell mit Membran. Das ist also eigentlich ein Pluspunkt. Spätestens in Bewegung wirst du hier den Vorteil erkennen, dass dein Schweiß schneller trocknet. Und gleichzeitig schützt die Jacke vor dem kühlen Wind. Zu sehr darfst du natürlich nicht schwitzen, denn wenn die Jacke nass wird, braucht sie einige Zeit zum Trocknen. Aber dann warst du auch zu warm angezogen.

Auch im Nieselregen der Südpfalz und am Lagerfeuer abends im Wald hat sich die Jacke bewährt und ich ziehe sie einer Softshell-Jacke vor. Kein Funke richtet etwas aus und solange es nicht in Strömen regnet, reicht der Nordlänger Anorak mit seinem Performance Cotton. Ich bin daher großer Fan von diesem Material und insbesondere der Jacke geworden.
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Hallo,
erstmal danke für deine tolle Seite!
Ich beschäftige mich gerade intensiv mit Kleidung für kältere Gebiete, da es im Februar nach Lappland geht. Dabei bin ich auf Roughstuff gestoßen und schwanke aktuell sehr zwischen Nordländer und Haudegen. Daher wollte ich fragen, ob du eine Empfehlung abgeben kannst.
Noch ein paar Hintergründe, ich bin eher selten in solch kalten Gebieten unterwegs, ein 4000er kann schon mal dabei sein mit viel Wind, aber ansonsten viel wandern. Daher suche ich eher eine Variante, die danach auch noch möglich flexibel einsetzbar ist. Kannst du mir vielleicht auch sagen, wie viele Schichten man so bei -20° bis -30°C haben sollten unter dem Nordländer bzw. dem Haudegen.
Danke schonmal und ich freue mich auf Input.
Hallo Mathias,
vielen Dank für dein Lob. Wegen „Betriebsferien in Lappland“ komme ich erst jetzt zu einer Antwort. Ich kenne nur den Nordländer aus meinem Test und kann dir zum Haudegen leider nicht viel sagen. Da der Haudegen aber aus Loden ist, wird er wärmer als der Nordländer aus Baumwolle sein. Meiner Erfahrung nach bekommst du bei Roughstuff eine wirklich gute Beratung und eine Anfrage dort wird sich lohnen. Mir gefällt der Nordländer für reine Wintertouren mit Pulka besser, da beim Haudegen Pulkagurt und Känguruhtasche in Konflikt kommen können.
Unter dem Nordländer Anorak trage ich in Bewegung und bei milderen Temperaturen im einstelligen Minusbereich meist nur ein dünnes Merinolongsleeve. Bei kälteren Temperaturen kommt dann eine Woolpower-Weste und/oder ein 100er Polartecfleece dazu. Das reicht mir bisher aus, wobei ich -30 Grad bisher nur sehr selten hatte. Wichtiger ist für mich die Daunenjacke für die Pause, denn nur die gibt wirklich Wärme.
Allgemein wirst du dich ja zu Loden und technischer Baumwolle informiert haben. Was hat denn für dich die besseren „Funktionen“?
Viele Grüße
Malte von Winterfjell