Was macht ihr da eigentlich den ganzen Tag? Wie läuft ein normaler Tag auf Wintertour ab? Das werde ich häufiger gefragt. Wer nicht auf eigene Outdoortouren zurückblicken kann, hat verständlicherweise Schwierigkeiten, sich einen gewöhnlichen Tourtag vorzustellen. Und auch für Neulinge auf Wintertouren ist manches anders als in den anderen drei Jahreszeiten. Ich beschreibe daher hier den normalen Ablauf vom Aufwachen bis zum Schlafengehen, wie er auf einer Wintertour vorkommt. Oder besser vorkommen kann, denn natürlich ist jeder Tag ein bisschen anders und kann durchaus abwechslungsreich sein, aber das macht es ja gerade spannend.
Morgenroutine auf Wintertour
Es ist meist zwischen 7 und 8 Uhr, wenn der Wecker der Armbanduhr klingelt, die an der Zeltdecke hängt. Und wenn es nicht zu windig ist, kann man das Piepen sogar durch die dicke Schlafsackkapuze hören. Bei viel Wind und Schneetreiben will ja eh niemand zeitig aufstehen. In einer Zeltgemeinschaft sollten dann nicht gleich alle aufspringen und rumwühlen, sondern die Aufgaben sinnvoll verteilt werden. Eine Person muss eh immer zeitig pinkeln gehen und kann danach den Winterkocher anschmeißen, um den Schnee für die Wasservorräte für den Tag und das morgendliche Müsli zu schmelzen. Ich lege mir auch immer schon den Tagesproviant bereit, damit ich unterwegs nicht lange kramen muss.
Die anderen können die Tagesetappe auf der Karte durchgehen, laut samische Ortsnamen vorlesen, mögliche Gefahrenstellen (dünnes Eis, steile Hänge, usw.) verinnerlichen, den Wetterbericht oder nur das Barometer checken und sich nach und nach anziehen. Im Anschluss an Kaffee und Müsli beginnt das Einpacken und vollständige Ankleiden passend zum Wetter draußen. Hat der Wetterbericht eine Verschlechterung angedeutet oder willst du zum Beispiel aus dem Wald ins Kahlfjell aufsteigen, solltest du extra Handschuhe und Mütze griffbereit verstauen. Wenn die Skistiefel sehr kalt sind, ziehe ich sie erst kurz vor dem Aufbruch an. In der Bewegung beim Skifahren werden sie schneller warm als beim Sitzen im Zelt.
Alles einpacken
Wenn alles im Zelt verpackt ist, geht es nach draußen, um die Packsäcke in der Pulka zu verstauen. Ich versuche, immer alles an den gleichen Platz zu packen, um auch bei schlechtem Wetter schnell zu finden, was ich suche. Auch farbige Beutel helfen hier enorm. Manche nutzen den Schutz der leeren Zelt-Apsis währenddessen noch für den größeren Toilettengang im Schnee. Alternativ zieht man sich noch einmal hinter den nächsten Stein zurück. Sind die Pulkas beladen, müssen vielleicht die Fjellski noch schnell gewachst oder mit Steigfellen bestückt werden. Parallel wird das Zelt eingerollt und die Schneeheringe werden ausgegraben. Nach starkem Schneefall und Wind müssen alle mithelfen, das Zelt auszubuddeln. Das kostet zwar Zeit, dafür wird einem warm.
Am Ende kommt die Daunenjacke in die Pulka und das Frieren beginnt. Die goldene Regel lautet: Wer zu Beginn der Tagesetappe nicht einige Minuten lang fröstelt, ist zu warm angezogen. Nun schnallst du alles an und auf geht’s. Erfahrungsgemäß sind an einem normalen Tag seit dem Aufstehen bis hierhin eineinhalb bis zwei Stunden vergangen.
Tagesroutine auf Wintertour
Wenn der Schnee so weich ist, dass gespurt werden muss, sollte besser hintereinander gelaufen werden. Die erste Person hat dann die Spurarbeit und übernimmt in der Regel auch die Navigation. Sie muss ja wissen, wohin sie laufen soll. Bei schlechten Sichtbedingungen sind aber die anderen im Team genauso verantwortlich, den Kurs zu verfolgen. Manchmal navigiert es sich leichter von weiter hinten. Beim Spuren vorne wechselt man sich möglichst nach Kräften ab, um sich weiter hinten „auszuruhen“. Auch Pausen sollte regelmäßig eingelegt werden. Alle 55 Minuten 5 Minuten Pause ist ein guter Richtwert, auch bei schlechtem Wetter (bei gutem Wetter werden es von alleine mehr Minuten).
Regelmäßige Pausen
Selbst auf markierten oder bekannten Routen sollte in der Pause kurz der Tourfortschritt gecheckt werden. Wir sind in bester Laune schon mal der falschen Scooterspur gefolgt. Zur Stärkung gibt es einen Becher Tee oder Wasser, eine Handvoll Snacks und ein kurzes Hinsetzen auf die Pulka oder einen Stein. In der Pause streifen alle kurz ihre dicken Daunenjacken über, die oben in der Pulka bereitliegen, um nicht auszukühlen. Bei miesem Wetter macht ein Windsack die Pause deutlich angenehmer.
Tagespensum
Je nach Etappenlänge geht es wie beschrieben für sechs bis acht Stunden durch den Tag. Es gibt Tage, an denen kommt man gut voran, aber 2,5 km/h sind nicht ungewöhnlich. Bei richtig schlechten Bedingungen kann es sogar noch darunter liegen. Entsprechend sollte dein körperlicher Trainingszustand sein. Es geht hier zwar darum, wie ein normaler Tag auf Wintertour aussieht, aber was ist schon normal? Nicht selten muss die Tour aus den unterschiedlichen Bedingungen (zu viel Schnee, zu wenig Schnee, Wetter, usw.) sogar umgeplant werden. Pläne sind gemacht, um angepasst zu werden. Das ergeht mir jedenfalls bei der Hälfte der Touren so und ist paradoxerweise irgendwie eingeplant.
Für den Anfang sind geplante Tagesetappen von 15 Kilometern eine gute Orientierung bei normalen Schneebedingungen. Bei vielen Höhenmetern kann es darunter liegen. Am Ende der Tour sind 20 km realistischer, weil die Pulka leichter ist und die Gehtechnik sitzt. Ich plane lieber konservativ und ziehe später ein paar Schleifen, wenn ich „zu schnell“ vorankomme. Dieses Rumtrödeln ist reiner Urlaub! Und ja, erfahrene Skiwanderer mögen über diese Etappenlängen schmunzeln, wenn es ihnen an Empathie fehlt. Ist doch egal. Nimm dir lieber Zeit für ein paar schöne Fotos zur Erinnerung als auf die Kilometer zu schauen.
Was bringt der Tag?
Manche Tage bieten die Überraschung eines Umweges, andere führen dich an einer Hütte vorbei, wo es leckere Waffeln und die Möglichkeit einer ausgedehnten Mittagspause gibt. Aber Obacht: Es ist deutlich leichter in eine behagliche Hütte rein, als wieder raus zu kommen! 😉 Auch das Nachwachsen der Ski, das Nachjustieren der Route oder kleine Anpassungen der Kleidungsschichten fallen über den Tag als ganz normale Aufgaben an. Hoffentlich ist auf deine Ausrüstung Verlass und größere Reparaturen bleiben aus.
Außerdem unterscheiden sich die Tourtage in Skandinavien oft durch das Gelände. Mal schwitzt du im Aufstieg, dann geht es durch ein enges Tal und schließlich traversierst du einen Hang mit tollem Fernblick. Auf der anderen Seite kann sich das Wetter verändern und fordert dich auch wieder neu. Normale Variationen des Wetters – von Unwetter einmal abgesehen – bestimmen deinen Tourtag ebenfalls enorm.
Ich liebe diese Abwechslung und finde es viel spannender, als jeden Tag nur flache Eiswüste.

Zeltplatzsuche
Zwischen 16 und 18 Uhr kommst du nun also an dein Ziel und oft lohnt es sich, ein wenig nach einem schönen Zeltplatz Ausschau zu halten, sei es für die Aussicht oder für natürlichen Windschutz. Je nach Schneebedingungen wird hier mit Skiern eine Plattform für das Zelt gestampft oder der Stellplatz etwas ausgehoben. Beim Buddeln besteht aber immer die Gefahr in sehr losen Schnee unter der tragfähigen obersten Schicht zu kommen. Hier braucht es ein wenig Erfahrung, was besser ist. Ich würde immer zuerst nach natürlichem Windschutz durch ein paar Steine oder Sträucher schauen, bevor ich mein Zelt eingrabe. Auch eine Schneemauer im Abstand von 3 Metern zum Zelt kann den Wind brechen. Am Zelt werden bei mir dennoch immer ALLE Abspannschnüre mit Schneeheringen versehen und abgespannt, auch bei gutem Wetter. Bei einem Wetterwechsel nachts raus zu müssen und Heringe zu setzen, will ich um jeden Preis vermeiden.
Zeltaufbau
Der Zeltaufbau ist natürlich wieder eine Gemeinschaftsaufgabe und es lohnt sich daher, mehrere Schneeschaufeln dabei zu haben. Während eine Person den letzten Feinschliff am Zelt anlegt und die Abspannschnüre fest (aber nicht zu fest) abspannt kann die zweite Person Schnee rundherum an die Ritzen des Zeltes schaufeln. Am Ende wird in der Apsis ein Graben ausgehoben, um bequemer sitzen zu können und alle schmeißen ihre für die Nacht nötigen Utensilien in das Innenzelt. Ich habe dafür extra einen Packsack mit etwas Kleidung und Technik vorgepackt. Dazu kommen Schlafsack, Isomatten, Biwakschuhe, Kocherbeutel und ein paar Lebensmittel.
Ski und Stöcke solltest du aufrecht in den Schnee stecken, wenn sie nicht für den Zeltaufbau als Heringe verwendet werden. Sonst kann es passieren, dass du sie nicht wiederfindest. Die Pulkas mit dem restlichen Gepäck können als Windschutz aufgestellt werden, sollten aber auf jeden Fall dicht verschlossen sein. Die Schneeschaufel kommt mit in die Apsis.
Abendroutine auf Wintertour
Wenn nicht gerade die Abendsonne scheint, hüpfen nun alle ins Zelt, ein letztes Surren des Zeltreißverschlusses und schon kann die Welt da draußen einem nicht mehr viel anhaben. Jetzt wird in der Apsis der Schnee von der Kleidung abgeklopft oder -gebürstet und der Kocher aufgestellt, um wieder Schnee für die Thermosflaschen zu schmelzen und das Abendessen vorzubereiten. Beachte immer, dabei für genügend Belüftung zu sorgen, auch bei schlechtem Wetter!
Nach und nach ziehen sich alle um und können im Innenzelt die Isomatten ausbreiten und es sich schon bequem machen. Deinen Schlafsack solltest du erst ausbreiten, wenn das Kochen beendet ist, weil dadurch viel Luftfeuchtigkeit entsteht. Bei guter Belüftung und offenem Zelteingang geht aber auch der Schlafsack klar. Wenn man nicht zu spät dran ist, kann man dann durch den Zelteingang dem Sonnenuntergang zuschauen, noch einen Kaffee trinken und schließlich zur Vorsuppe übergehen. Bei mir gibt es oft Tütengerichte mit Beilage oder irgendetwas Einfaches als Tourproviant. Andere kochen aufwendiger und haben etwas zum Anstoßen dabei. Für deinen Flüssigkeitshaushalt solltest du am Abend zwar genug trinken, aber Alkohol entwässert und zählt definitiv nicht dazu. Nach dem Kochen räume ich die Apsis auf und mache „Klarschiff“. Bei mir fliegt nichts lose herum, Müll wird verpackt, die Stiefel sind schneedicht verschlossen und ich habe lieber alles für einen schnelleren Aufbruch vorbereitet.
Und was passiert nachts?
Vom Ankommen über Zeltaufbau bis zum vollen Magen vergehen erneut zwei bis drei Stunden. Ob mit einem Buch bei Kerzenschein, netten Gesprächen, kleinen Reparaturen oder dem großen Glück von Polarlichtern am Himmel, irgendwie wird der Abend dabei Ausklingen. Die Fernwanderer in den USA nennen 21 Uhr „Hikers Midnight“, weil sich dann alle in ihre Schlafsäcke zurückziehen. Und nicht selten ist es auf Wintertour genauso. Die nächsten 10 Stunden verbringt man im dicken Winterschlafsack und verlässt ihn nur zum Pinkeln. It’s not a bug, it’s a feature: Schwache Blasen sehen mehr vom Himmel und nicht selten lohnt sich der Anblick!
Es gibt leider die Ausnahme, wenn es stark schneit und Wind aufkommt. Dann muss das Zelt schlimmstenfalls in der Nacht freigeschaufelt werden, um das Gewicht des Schnees vom Gestänge zu bekommen. Wirklich nervig ist Wind bei einem Tunnelzelt, wenn er dreht und von der Seite kommt. Dann musst du sogar zusätzliche Heringe setzen oder ein Mäuerchen errichten. Das Zelt komplett zu drehen, ist leider zu aufwendig und ein Tunnelzelt ohne zusätzlichen Schutz zu anfällig gegen Seitenwind.
Nach einer erholsamen Nacht tief in deinem Schlafsack beginnt dein neuer ganz normaler Tag auf Wintertour, bei dem du schon ein wenig mehr Routine haben wirst. Eine andere Beschreibung vom Tagesablauf einer Wintertour findest du bei Geertje von Nordicfamily, die sich damit auf eine Grönlandüberquerung vorbereitet.
Jetzt bist du an der Reihe. Gefällt dir der Beitrag oder möchtest du etwas ergänzen? Dann freue ich mich über deinen Kommentar.