Fjellsicherheit mit dem Windsack

Wenn das Wetter im Fjell plötzlich umschlägt und dir der eiskalte Wind die Schneekristalle wie Sandpapier durchs Gesicht zieht, dann wird es Zeit für das sichere Zelt. Doch was, wenn es für den Aufbau schon zu stürmisch ist? Oder dein Zelt beschädigt wurde? Oder durch einen Notfall keine Zeit mehr bleibt? Für diesen Fall tragen viele Menschen in Skandinavien einen Windsack (Vindsekk) mit sich, in den sie bei solchen Situationen kriechen. Ich möchte dir daher diesen Ausrüstungsgegenstand für mehr Fjellsicherheit ans Herz legen.

Inhaltsverzeichnis

Wenn wir Schutz brauchen

Das Szenario lässt sich beliebig anpassen, denn grundsätzlich ist ein Notbiwak ja etwas Überraschendes oder Ungeplantes. In den meisten Fällen führt plötzlich wechselndes Wetter mit aufkommendem Wind zu solchen Notsituationen. Die Grenze für einen ungefährlichen Aufenthalt im Freien richtet sich daher auch nach dem Windchill-Effekt. So schön ein geplantes Biwak in einer sternenklaren Nacht auch sein kann, bei Sturm und Unwetter bin ich lieber im Zelt oder noch lieber in einer Hütte. Obwohl ein Notbiwak nicht geplant wird, solltest du eben doch auf solche Situationen vorbereitet sein und die passende Ausrüstung dabeihaben.

Windsack

Im Unterschied zu einer gegrabenen Schneehöhle bietet der Vindsekk oder zu Deutsch Windsack den Vorteil, dass du ihn auch bei niedriger Schneehöhe verwenden kannst. Außerdem ist er nahezu sofort einsatzbereit, wenn du bei einem Notfall oder bei Erschöpfung Schutz suchst. Wer schon einmal stundenlang eine Schneehöhle gegraben hat, weiß, wie lange das dauern kann.

Im Prinzip ist der Windsack vergleichbar mit einem größeren Biwaksack, mit ein paar Anpassungen. So finden sich Abspannmöglichkeiten an den Ecken und einige Modelle haben zusätzliche Gucklöcher oder kleine Folienfenster. Wenn dein Modell keine Abspannmöglichkeiten hat, solltest du nachträglich einige annähen. Wichtig ist dabei, dass du deine Ski dadurch stecken kannst. Die Schlaufen der Hersteller sind oft sehr klein, also nähe dir besser gleich größere an. Überhaupt lässt sich ein Windsack gut selbst nähen, wenn du Geld sparen möchtest.

Das Prinzip möchte ich mit einer Skizze gerne einmal veranschaulichen:

Windsack Ansicht von oben (Bild: Malte Hübner)
Windsack Ansicht von oben

Ich habe auf Solotour das Modell Bivybag Duo von Exped verwendet, da ich es auch als Biwaksack nutzen kann und im Notfall sogar als Poncho. Für zwei erwachsene Personen wird es darin aber schon sehr eng. So ist er eher als Notausrüstung einzustufen.

Klassische Windsäcke finden sich eher bei den skandinavischen Herstellern. Helsport Vindsekk, Fjällräven Windsack und Hilleberg Windsack sind gute Beispiele und auf gemeinsamen Touren ist daher der Hilleberg 3-Personen Windsack im Gepäck. Er bietet tatsächlich bis zu drei Personen Platz. Andere Hersteller haben ähnliche Produkte im Angebot, die du dort unter dem Begriff Bothy Bag oder selten auch Zdarsky-Zelt findest. Diese sind eher zum Sitzen gedacht als zum Liegen. Für die kurze Rast sind sie besser geeignet als ein klassischer Windsack, zum Abwettern schlechter. Auch als Kleingruppe haben wir im Winter auf Tagestouren immer eine Version von Rab für 4-6 Personen dabei.

Nachteil an einem Windsack ist, dass er nur vor Wind schützt. Die isolierende Wirkung einer Schneehöhle kann er leider nicht liefern. Wenn die Schneebedingungen passen und noch genug Zeit für eine Schneehöhle ist, dann kannst du dir die Arbeit ruhig machen.

Ausblick aus dem Windsack bei gutem Wetter (Foto: Malte Hübner)
Ausblick aus dem Windsack bei gutem Wetter

Schneeschaufel

Die Schneeschaufel gehört zu den wichtigsten Ausrüstungsgegenständen auf einer Wintertour. Lawinen sind auf den ausgewiesenen Routen in den typischen Tourgebieten in Skandinavien zwar eher selten, aber dennoch eignen sich hochwertige Alu-Lawinenschaufeln aus dem Bergsport am besten. Du baust damit Schutzmauern, hebst Toilettenlöcher aus, befreist das Zelt vom Flugschnee, aber vor allem kannst du damit Notbiwaks oder Schneehöhlen errichten.

Jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer der Tour sollte eine eigene Schneeschaufel griffbereit in Rucksack oder Pulka haben. Wenigstens eine Schaufel und ein Windsack für zwei Personen gehören auch bei Hüttentouren ins Gepäck.

Isolation

Auch im Notbiwak oder in der Schneehöhle musst du dich vor der Kälte schützen. Eine Daunenjacke, ein Schlafsack und eine gute Isomatte gehören also immer mit in den Rucksack.

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Bau eines Notbiwaks mit dem Windsack

Den optimalen Ort für ein Notbiwak bietet ein natürlicher Windschutz durch Felsen, ein paar Bäume oder auch nur eine Hügelkuppe. Der Windsack eignet sich aber auch bei nicht ganz optimalen Orten. Dafür gehst du wie folgt vor:

  1. Prüfen der Schneehöhe mit dem Skistock, einer Lawinensonde oder einer Zeltstange. Du brauchst eine Tiefe von mindestens 50 cm.
  2. Die Pulkas oder Rucksäcke werden als Windschutz zum Graben aufgestellt.
  3. Nun beginnst du eine Liegefläche von 2 Metern Länge und mind. 1 Metern Breite auszuheben. Mit den Skistöcken kannst du dir die Fläche gut abstecken.
  4. Der Aushub wird möglichst in Blockform direkt als Schneemauer zum Schutz vor Wind weiterverwendet.
  5. Du solltest mindestens 40 cm tief ausschachten, besser noch tiefer. Wenn der Schnee es nicht zulässt, baue deine Schneemauer höher.
  6. Zusammen mit dem Windschutz brauchst du eine Höhe von 70 cm.
  7. Anschließend wird der Windsack an den Ski über die Schneemauer so befestigt, dass er etwas niedriger als die Kante der Mauer abgespannt wird. Am anderen Ende fixieren die Skistöcke den Sack.
Windsack als Notbiwak Seitenansicht (Bild: Malte Hübner)
Windsack als Notbiwak Seitenansicht

Pause und Rast im Windsack

Wenn du nicht biwakieren, sondern nur rasten willst, bietet ein Windsack noch eine zweite Möglichkeit. Auch zum Ablesen der Karte, Bestimmen der Koordinaten mit dem GPS oder zum Umziehen bietet er schnellen Schutz vor Wind und Schnee.

Sitzende Rast im Windsack Seitenansicht (Bild: Malte Hübner)
Sitzende Rast im Windsack Seitenansicht

Der Rucksack kann dabei gut im Fußraum verstaut werden und ist damit noch erreichbar. Die gerollte oder gefaltete Isomatte dient zum Sitzen.

Schneehöhle

Auch eine Schneehöhle zu bauen, erfordert Erfahrung. Zunächst muss ein geeigneter Ort wie eine Schneewechte für eine Höhle oder eine tiefe Stelle im Schnee für eine Kantengrube gefunden werden.

Eine Kantengrube lässt sich am einfachsten graben und wäre daher die erste Wahl. Dafür muss nur ein schmaler Graben so tief wie möglich (bis Stehhöhe) ausgehoben werden. Dieser bietet bereits ersten Windschutz. Weiter unten kann der Graben an den Seiten zur Höhle vergrößert werden, zum Beispiel um eine Sitzgelegenheit oder eine Bank zum Liegen. Anschließend wird die Höhle oben mit Schneeblöcken verschlossen. Halten die Schneeblöcke nicht, können die Ski als Stütze dienen oder der Windsack als Plane verbaut werden.

Alternativ kann eine kleine Schneehöhle von der Seite in eine Wechte oder einen Hang gegraben werden. Wenn genügend Schnee vorhanden ist und dieser bereits lang genug liegt und verfestigt wurde, dann kann die Höhle auch zu einer traditionellen Schneehöhle für mehrere Personen ausgebaut werden. Die Bedingungen für beide Varianten müssen aber wirklich stimmen.

Notfälle vorbereiten und einüben

Ein Notbiwak oder eine Kantengrube zu bauen, sollte vorher gut eingeübt werden. Es ist wichtig, dass alle Gruppenmitglieder das Vorgehen kennen und vor allem praktisch beherrschen. Gut geeignet ist dafür zum Beispiel ein erster Tag nach der Anreise zum Akklimatisieren und Packen der Pulka. Wer will, kann bei der Gelegenheit gleich vor der Hütte schlafen. Eine Schneehöhle zu graben, ist keine leichte Aufgabe! Verlasse dich nicht darauf, im Notfall sofort einen geeigneten Ort zu finden. Der Bau dauert meist länger als erwartet.

Die Kenntnis der Verhaltensregeln für das Winterfjell sollten ebenfalls alle Gruppenmitglieder besitzen. Das ist Teil einer umfangreichen körperlichen und mentalen Vorbereitung auf Wintertouren.

Und was ist mit den Hütten?

Wie oben bereits geschrieben, ist eine sichere Hütte meine erste Wahl, wenn sich das Wetter absehbar verschlechtert. Aber dafür muss sie noch bei gutem Wetter erreichbar sein. Bei schlechtem Wetter kann die Hütte schnell unauffindbar sein, trotz GPS! Gehe nicht leichtfertig weiter, nur weil die warme Hütte so verlockend ist. Wettere rechtzeitig ab!

Einige Hütten bieten auch im Winter einen Winterraum, der immer geöffnet bleibt. Da diese Räume leider oft missbraucht werden, möchte ich aber deutlich darauf hinweisen, dass sie nur für den Notfall gedacht sind. Notfälle sind Erschöpfung, Unterkühlung, plötzlicher Wetterwechsel und ähnliche Dinge. Das wenige vorhandene Brennholz sollte für bedrohliche Situationen aufbewahrt werden.

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