Körperliche und mentale Vorbereitung auf eine Wintertour

Eine Wintertour mit Ski und Pulka ist eine körperliche Herausforderung. Meist kannst du die Etappenlänge an deinen Trainingszustand anpassen und musst es bergauf nicht gleich übertreiben, aber das Ziehen einer Pulka ist nun einmal keine alltägliche Aufgabe. Noch spannender finde ich die mentale Herausforderung, die eine Wintertour mit sich bringen kann. Nicht umsonst sagen viele, dass solche Touren zu 80 % eine Kopfsache sind. In diesem Beitrag möchte ich erklären, wie deine körperliche und mentale Vorbereitung auf eine Wintertour aussehen kann.

Inhaltsverzeichnis

Meine aufregendste Tour

Als ich gegen kurz nach 4 Uhr morgens in Finse aus dem Zug steige, bläst mich der Wind fast um und natürlich ist es dunkel und kalt. Ich bin der einzige Ankömmling und ziehe meine Pulka erst einmal in den kleinen Warteraum des Bahnhofs, denn alles andere ist verschlossen. Ich könnte noch in das Hotel gehen, denn selbst die Finsehytta ist um diese Jahreszeit offiziell noch geschlossen. Eigentlich war der Plan, in Ruhe im Warteraum zu packen und mit der ersten Morgendämmerung in Richtung Süden aufzubrechen.

Jetzt gerade bin ich aber den Tränen nah und vollkommen übernächtigt vom Nachtzug aus Oslo und dem Nachtbus bis dorthin in der Nacht davor. Das hatte ich mir irgendwie entspannter ausgemalt, mit einmal Umsteigen von Hannover bis nach Finse zu kommen. Neben dem inneren Schweinehund, sich dort raus in die Kälte zu wagen, packt mich jetzt auch noch schlicht die Angst, mir zu viel zugetraut zu haben. Ich sitze herum und denke nach. Das Buchungsportal im Internet ruft mehrere hundert Euro für eine Nacht im Hotel 1222 in Finse auf, also packe ich das Handy wieder ein. Einfach das Zelt an der nächsten Ecke aufschlagen und mich hinlegen und etwas Schlaf nachholen? Wahrscheinlich die beste Idee.

Doch da weht der Duft von frischem Brot aus der Hotelküche herüber und ich sehe zwei Menschen über die Gleise ins Hotel gehen. Tatsächlich ist das die Frühschicht und nach einer Stunde sitze ich mit frischem Kaffee in der Hotellobby, habe ein Zimmer für eine Nacht für 100 Euro inklusive Abendessen gebucht und kann mein Glück kaum fassen. „Weil es noch so früh ist, buchen wir dich mal als Frühbucher“, haben sie augenzwinkernd zu mir gesagt, denn meine Not konnte man mir wohl ansehen.

Heute würde ich es mit mehr Erfahrung anders machen und kann über manche meiner Vorstellungen von damals schmunzeln. Aber letztendlich zählt für mich, eine gute Entscheidung auf der Grundlage der gegebenen Möglichkeiten getroffen zu haben. Gut ist die Entscheidung deshalb gewesen, weil sie mir guttat. Denn am nächsten Tag bin ich gestärkt und bei bestem Sonnenschein zu meiner ersten Solotour aufgebrochen.

Wofür Pläne da sind

Der Plan war ein anderer, das ist klar. Ich habe dadurch letztendlich einen ganzen Tourtag verloren und musste meine Runde etwas abkürzen. Das tat mir damals schon leid. Doch inzwischen musste ich so viele Pläne über den Haufen werfen, dass ich sie erstens nicht mehr so detailliert aufstelle und zweitens irgendwie bereits mitdenke, wie ich sie jederzeit anpassen kann. Pläne sind also da, um geändert zu werden. Braucht es dann überhaupt noch einen Plan? Ja, unbedingt sogar! Denn von dem Plan ist abhängig, wie deine individuelle Vorbereitung auf eine Wintertour am besten aussieht. Lies dich gern weiter in das Thema Tourplanung von Wintertouren ein.

Eine mehrwöchige Grönlandüberquerung bietet eine andere Herausforderung als ein paar Tage am Rogen in Jämtland. Entsprechend solltest du dein körperliches und mentales Training anpassen.

Schlechte Sicht und die eintönige „Kviste-Autobahn“ drücken auf die Stimmung, die Markierungen sind aber ein Segen (Foto: Malte Hübner)
Schlechte Sicht und die eintönige „Kviste-Autobahn“ drücken auf die Stimmung, die Markierungen sind aber ein Segen

Körperliche Vorbereitung

Fangen wir mal mit dem körperlichen Training an, denn das ist leichter in Trainingspläne zu gießen. Die Fortbewegung auf Ski mit einer schweren Pulka von 40 kg im Schlepptau ist eine für die meisten Menschen eher ungewohnte Belastung. Gleichzeitig bewegen sich die Gehzeiten pro Tag schnell bei sechs bis acht Stunden über die entsprechende Gesamtdauer der Tour. Deine körperliche Vorbereitung auf eine Wintertour sollte daher aus regelmäßigem Ausdauersport wie Jogging oder Fahrradfahren bestehen.

Ausdauertraining

Zuerst die gute Nachricht, du musst keine waschechte Sportskanone sein. Zwei bis drei Trainingseinheiten pro Woche sind ausreichend, wenn du eine „normale“ Wintertour anstrebst und nicht ins Extreme willst. Ansonsten empfehle ich dir besser eine sportmedizinische Beratung. Auch auf die Dauer und Intensität gehe ich hier nicht weiter ein, denn das hängt von deinem Trainingszustand und der geplanten Tour ab.

Eher würde ich dir empfehlen, an den Wochenenden öfter die Trainingseinheit durch eine lange Wanderung zu ersetzen, bei der du auf die genannten Gehzeiten kommst. Wenn dein Körper das gut wegsteckt, wirst du auch für eine Wintertour gut genug vorbereitet sein. Wenn nicht, dann solltest du eh etwas tun!

Krafttraining

Neben dem Ausdauertraining kannst du etwas Krafttraining einlegen, insbesondere für die Körpermitte und deine Rumpfmuskulatur. Übungen aus dem Pilates-Bereich eignen sich gut und es braucht kein spezielles Fitness-Programm für Wintertouren.

Eine besondere Vorbereitungsmethode möchte ich dir aber nicht vorenthalten, nämlich das sogenannte Reifen-Schleifen. Dabei ziehst du einen oder mehrere Autoreifen an einem Zuggurt hinter dir her, was das Gewicht der Pulka simuliert. Nico beschreibt auf seiner Seite gut, was du zum Reifenschleifen als Vorbereitung für eine Wintertour brauchst. Durch das Zerren der Reifen an deinem Hüftgurt trainierst du deine Körpermitte ziemlich passend auf die Bedingungen auf einer Wintertour. Jedenfalls so lange du nicht ständig stehenbleiben musst, um deine Absichten an andere Wanderer zu kommunizieren. 😉

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Gewöhnung an die Kälte

Etwas Eisbaden und regelmäßiges kaltes Duschen sind bestimmt sehr gesund. Mir liegt das leider absolut fern. Sinnvoller halte ich es, sich regelmäßig an der frischen Luft zu bewegen und dabei nicht zu warm anzuziehen oder einen Tag zum Akklimatisieren in der Kälte einzuplanen. Am Ende ist es eine sehr individuelle Sache, wie du mit Kälte und Frieren klarkommst.

Allgemeiner Gesundheitszustand

Alles bisher beschriebene körperliche Training ist für den normalen Freizeit-Ausgleichssport-Menschen leicht umsetzbar. Ich bin der Meinung, dass ein normal „trainierter“ Mensch ohne Vorbereitung auf eine Wintertour gehen kann, wenn es sich um kein extremes Vorhaben mit langen Etappen oder mehreren Wochen in abgelegenen Gebieten handelt. Das gilt für dich, wenn du einen guten allgemeinen Gesundheitszustand hast oder gute Strategien für das besitzt, was dich auch sonst im Wanderalltag einschränkt. Ich habe schon Menschen im Winterfjell gesehen, die sich gerade ihre Insulinspritze in die Bauchfalte gesetzt haben. Geht alles, wenn du dich damit sicher fühlst.

Sobald du dir aber unsicher bist oder etwas Größeres vorhast, empfehle ich dir im Zweifel immer medizinischen Rat.

Mentales Training

Interessanter wird es bei der mentalen Vorbereitung auf eine Wintertour. Bei meiner Solotour damals machten es mir zwei Dinge schwer: Der eine Punkt war für mich, von meinen Plänen loszulassen, der andere das Eingeständnis meiner Überforderung. Beides resultiert aus der inneren Grundhaltung zur Tour, oder neudeutsch dem „Mindset“.

Sieht im Nachhinein viel harmloser aus: Der Bahnhof Finse bei Nacht (Foto: Malte Hübner)
Sieht im Nachhinein viel harmloser aus: Der Bahnhof Finse bei Nacht

Grundeinstellung zur Tour

Als Vorbereitung auf eine Wintertour ist es sinnvoll, die eigene Haltung zu überprüfen und sich selbst gut zu kennen. Schauen wir noch einmal auf mein Beispiel, gäbe es wie in jeder Situation ganz verschiedene Herangehensweisen.

Ich könnte mir den ehrgeizigen Typen vorstellen, der sich einfach durchbeißen würde. So wirklich gefährlich war der Wind außerhalb der Häuserschluchten nicht und es wurde ja bald hell. Auch langsam und präzise, mit einem Schritt nach dem anderen wäre ein Weg, dieser Typ wäre erst einmal zum See heruntergegangen. Zuerst wäre der erste Abschnitt des Sees dran und nach 15 Minuten hätte er neu entschieden, ob Umdrehen besser sei oder eben genau dort das Zelt aufgebaut wird.

Und meine Entscheidung war, dass beides für mich nicht mehr möglich oder erstrebenswert war. Ich hatte die Möglichkeit für ein „raus aus der Situation“ und habe sie gerne angenommen. Meine Grundhaltung ist auch heute noch, dass ich nicht auf Wintertour gehe, um mir selbst etwas zu beweisen.

Nun kannst du durchaus eine andere Einstellung zum Risiko haben. Um vielfältig auf mögliche Probleme vorbereitet zu sein, solltest du dich aber immer intensiv mit dem Thema Redundanz der Ausrüstung beschäftigen. Durch diese Herangehensweise fällt dir im Zweifel auch Improvisation leichter.

Umgang mit Zweifeln

Ab und an kommen mir auch heute noch kurz vor dem Start leise Zweifel, ob ich gerade wirklich aus meiner Komfortzone herausmöchte. Versteh mich nicht falsch, ich habe total Bock auf die Tour und die Lust überwiegt eindeutig, aber ein paar Restzweifel sind manchmal doch da und gehören für viele Menschen dazu. Sollten die Zweifel lauter werden, lohnt sich ein Blick auf ihre Ursache. Ist es die eigene Unsicherheit? Die Aufregung zu Beginn? In nahezu allen Fällen hilft es, mit jemand darüber zu sprechen und kurz Abstand von der Situation zu nehmen. Schnell wird dir dabei wieder klar, wozu du das alles machst. Und oft hilft es, dir selbst fest zu sagen, dass du eine Entscheidung getroffen hast und diese durchziehst. Du kannst das!

Richtige Entscheidungen

„Es ist nicht Rumgemacker, was dich nach Hause bringt, sondern die richtige Entscheidung!“ So hat es Simon mal in unserem gemeinsamen Podcast gesagt. Und ich gehe da total mit! Die richtige Entscheidung zu treffen, ist dabei vor allem abhängig von den gegebenen Möglichkeiten. Mal angenommen, es hätte kein Hotel gegeben, wäre ich dennoch nicht wirklich in Gefahr gewesen. Selbst an einem abgelegenen Bahnsteig im Nirgendwo hätte ich ein absolut verlässliches Winterzelt dabei gehabt und war mit genug Essen für mehrere Tage ausgestattet. In dem Fall hätte ich das Camp aufgebaut und mich darin verkrochen. Ich weiß, dass ich auch in solch einer Situation funktioniert hätte. Der Gedanke kam schließlich auch, nur war eine andere Option sicherer und bequemer.

Am Ende ist eine richtige Entscheidung, was dich gesund und sicher nach Hause bringt. Nicht umsonst heißt es in den norwegischen Verhaltensregeln für das Winterfjell „Umdrehen ist keine Schande“. Du wächst auch an diesen Entscheidungen und musst dich nicht jeder Herausforderung stellen. Am Ende gibt es noch genug Situationen, bei denen kein Hotel nebenan steht und du die Entscheidungen auf anderer Grundlage treffen musst.

Umgang mit herausfordernden Situationen

Wenn du erst einmal an deine individuelle Grenze gekommen bist und vor einem größeren Problem stehst, macht sich möglicherweise Stress in dir breit. Auch Angst und leichte Panik können als Gefühle dazukommen. Was letztendlich die Ursache ist, ist eigentlich unerheblich. Ob die Sorge, den Rückflug zu verpassen, weil du dich bei den Tagesetappen verschätzt hast, oder ein akutes Problem, weil du bei Whiteout gerade in einem Hang steckst, mir fallen etliche Auslöser ein und am Ende hängt es von dir selbst ab.

Zur Vorbereitung auf eine Wintertour ist es entsprechend grundsätzlich nützlich, sich regelmäßig in eher fordernden Situationen zu bewegen. Insbesondere sind für mich dabei vier Herangehensweisen hilfreich, um aus der Gedankenspirale herauszukommen.

1. Was ist das Schlimmste, was realistisch passieren kann?

Diese Frage stelle ich mir eher bei längerfristigen Sorgen. Und wenn ich es dazu realistisch betrachte, ist vieles einfach mit mehr Geld zu lösen. Tut weh, aber dann muss ein neuer Flug gebucht werden, schlimmstenfalls muss ich einen Tag Urlaub hinten dranhängen, vielleicht Ärger von der Chefin oder der Familie aushalten, aber die allermeisten Menschen werden mir zustimmen, dass ich doch besser gesund zurückkomme. Wenn deine Situation unkomfortabler ist, solltest du mehr Puffer einplanen.

Häufig führen diese Überlegungen aber auch zum wahren Problem. In dem Beispiel könnten das Essen oder der Brennstoff knapp werden, wenn ungeplante Tourtage dazukommen. Also muss ich haushalten oder zu einer Hütte abbiegen, wo ich mich versorgen kann, auch wenn das noch mehr Zeit kostet.

2. Probleme in Scheibchen schneiden, die Salamitaktik

Meist kann ich nicht alle Probleme auf einmal lösen, wenn ich gerade in einer verzwickten Situation feststecke. Und der Berg an Problemen wirkt vielleicht unüberwindbar. Häufig hilft es mir, wenn ich mir einzelne Probleme herauspicke, die ich nach und nach lösen kann. Idealerweise wird klar, welches Teilproblem als allererstes gelöst werden muss. Im Sturm ist es beispielsweise besser, sich in den Windsack zu verkriechen und erst einmal Kraft zu tanken, bevor die fummelige Skibindung repariert wird. Klar, die Skibindung repariert sich dadurch nicht von allein, aber ich bin aus dem Wind und verschaffe mir Zeit. Damit verschiebe ich den Fokus vom Problem auf die Lösung.

Ich habe dafür Glaubenssätze im Kopf wie „Wenn ich ein Problem nicht gleich lösen kann, dann suche ich mir besser ein anderes“. Und ich löse vorzugsweise zuerst ein Problem, dass für mich gerade auch gut lösbar ist und mich wieder auf das große Ganze schauen lässt.

3. Das große Ganze sehen und nicht das kleine Problem

Gehen wir noch einmal zurück zu meiner Solotour. Was ist schon der eine fehlende Tourtag im Vergleich zu mehreren wunderbaren Tourtagen danach? Bin ich nicht meine erste Solotour durch den Norden der wunderschönen Hardangervidda gelaufen? Bei bestem Wetter und super Laune! Viel zu oft ärgern wir uns über das kleine Problem und verlieren aus dem Blick, wie großartig alles andere gerade ist. Allein schon die Möglichkeit, von Finse aus auf den Hardangerjokulen zu blicken, ist vielen Menschen verwehrt. Etwas Demut und die Kraft, schon ganz andere Krisen durchgestanden zu haben, helfen mir hier enorm.

4. Don’t panic

Zum Glück war ich auf Tour noch nie in solch einer Situation und ich hoffe auch, nie dorthin zu gelangen: ein echter Notfall! So wie viele von euch auch trage ich einen kleinen Notsender mit mir, der über Satelliten einen Notruf absetzen kann. Ich belege auch regelmäßig Kurse in Erster Hilfe und habe eine Bergungskostenversicherung abgeschlossen. Dennoch möchte ich nichts davon jemals nutzen müssen.

Mit Unverständnis schaue ich auf die schlecht ausgerüsteten und unerfahrenen Menschen, die von den oft ehrenamtlichen Bergrettungen in aller Welt gerettet werden müssen. Ich bitte dich daher, bereite dich gut vor und drücke den kleinen SOS-Knopf nur im absoluten Notfall und nie leichtfertig. Versuche immer zuerst, dich aus der akuten Lage zu bringen und in Ruhe Lösungen zu überlegen. Bedenke aber auch, dass in den skandinavischen Bergen weite Wege zurückgelegt werden müssen und nicht sofort Hilfe kommt, wenn Leib und Leben in Gefahr sind.

Nach dem Sturm auf der Hütte ist Zeit für die Reflexion der Tour bei Kaffee und Tee (Foto: Lutz Grünke)
Nach dem Sturm auf der Hütte ist Zeit für die Reflexion der Tour bei Kaffee und Tee

Reflexion nach dem Problem

Alle diese Herangehensweisen gelingen mir selbst nicht immer und ich würde es auch niemanden glauben, der das behauptet. Der eigene Stress macht dabei den Unterschied zur grauen Theorie. Doch als mentale Vorbereitung auf eine Wintertour lohnt es sich, solche Taktiken als Handwerkszeug einzuüben.

Wenn ich dennoch in Gefahr geraten bin, ist zunächst einmal Gefahrenabwehr und Handeln angesagt. Um aus der Situation zu lernen und es beim nächsten Mal besser zu machen, hilft anschließend eine Reflexion darüber, was schiefgelaufen ist. In einem Team ist das leichter als allein, wenn du nur den eigenen Kopf zur Verfügung hast.

Teambuilding als Vorbereitung auf eine Wintertour

In einem Team fällt aber nicht nur die Reflexion von Problemen leichter, es kann durch sinnvolle Arbeitsteilung auch zu weniger Problemen kommen. Das gilt zumindest, wenn Aufgaben und Verantwortung an die passenden Personen abgegeben werden. Das Thema Gruppendynamik würde den Rahmen sprengen, aber es hilft, solche Rollen im Team klar zu verteilen: Wer ist am erfahrensten? Wer ist das schwächste Glied und legt damit die Belastungsgrenze fest? Was erwartet ihr alle von der Tour? Und was nicht?

Ich halte es für sehr sinnvoll, diese Fragen vor der Reise in der Gruppe mehrfach zu diskutieren und gemeinsame Probetouren über ein paar Tage durchzuführen, bevor es länger gemeinsam auf große Tour geht. Ein Beispiel, wie furchtbar eine Tour werden kann, wenn in der Gruppe nichts passt, findest du in Birgit Lutz‘ sehr lesenswerten Buch „Quer durch Grönland“.

Beim Vorbereitungstreffen planen wir gemeinsam die nächste Tour (Foto: Malte Hübner)
Beim Vorbereitungstreffen planen wir gemeinsam die nächste Tour

Umgang mit sich selbst

Neben der Dynamik im Team kann dich auch deine innere Dynamik beschäftigen. Auf einer Solotour musst du mit dir alleine klarkommen und deinen eigenen Kopf aushalten. Wer mit dem Alleinsein im Alltag schon Schwierigkeiten hat, wird hier an eine persönliche Herausforderung kommen. Ich könnte mir aber vorstellen, dass man als Vorbereitung auf eine Solo-Wintertour auch das Alleinsein üben kann.

Wie beim Wandern allgemein spuckt der Kopf nicht selten etwas hervor, an das du lange nicht mehr gedacht hast. Das geht mir sogar in einer Gruppe so, wenn das Wetter keine Gespräche zulässt oder wir stumpf hintereinander herlaufen müssen.

Bei langen Touren können sich sogar Lebensfragen auftun, die dir gar nicht bewusst gewesen sind. Davon berichten Wanderer auf dem Jakobsweg genauso wie Wanderinnen von Norge på langs. In einem zwei- bis dreiwöchigen Urlaub bleibt es aber eher bei Fragen danach, warum zum Geier eigentlich ausgerechnet ein Hase bunte Eier versteckt???

Innerer Schweinehund

Draußen windet es? Das Thermometer ist in der Nacht besonders tief gefallen? Du kommst nicht so richtig in Gang? Dann braucht es Selbstmotivation, oder? Ich bin doch motiviert, sage ich mir. Ich bin stark motiviert, in diesem Schlafsack zu liegen! Spaß beiseite: Meistens habe ich Lust, wieder aufzubrechen. Und manchmal braucht es auch einen Pausentag, um neue Energie zu tanken.

Ein Trick, wie ich morgens leichter loslege, ist zu mir selbst „aaand action!“ zu sagen und einfach anzufangen, bevor ich lange darüber nachdenke. Im Zweifel tue ich einfach so, als ob ich Bock habe. Spätestens beim Loslaufen geht es meistens alles gut. Es ist wie beim Training zu Hause: Das schwierigste ist schon geschafft, wenn du angefangen hast. Und wenn es aus irgendwelchen Gründen nicht so richtig klappen will an dem Tag, wird halt früh das Zelt aufgebaut und hoffentlich ist noch genug Schokolade zum Trösten da. Es soll doch ein Urlaub sein!

Anders verhält es sich jedoch, wenn du in eine Situation geraten bist, bei der es unabhängig von den Gründen um das Durchhalten geht. Hier helfen mir innere Mantras, die ich mir selbst aufsage.

Mantras zur Selbstmotivation

Ich bin überzeugt, dass solche „Mantras“ eine sehr persönliche Sache sind und du deine eigenen finden musst. Hier spielt auch der eigene Humor eine Rolle. Manche meiner Verse finde ich selbst albern, aber sie funktionieren gut, weil ich sie im Kopf oder sogar laut vor mir hersagen und singen kann, ohne mein Gehirn zu gebrauchen. Viele davon hat mein Kopf einfach irgendwann einmal ausgespuckt. Besser ist es, wenn du dir selbst eigene als Vorbereitung auf eine Wintertour einprägst. Beispiele meiner Mantras sind:

  • „Schneeflöckchen, Weißröckchen, da kommst du geschneit?!“ Dieses Winterlied sage ich mir eher in Gedichtform und in Endlosschleife auf, wenn ich im Schneetreiben mit den Ski durch tiefen Neuschnee stapfe.
  • „It’s a long way to (Tipperary; ersetzt durch irgendein Ziel der Tour), it’s a long way go.“ Die vier Zeilen aus dem Refrain dieses Marschliedes funktionieren bei mir super zu eintöniger Spurarbeit.
  • „Ein Schritt, ein Strich und schon ist die lange Straße gekehrt.“ Dieser Satz aus Michael Endes Buch Momo hilft immer, wenn es die Salamitaktik braucht. Eins nach dem anderen, nur nicht vom Problemberg aus der Ruhe bringen lassen.
  • „Willkommen hier mitten aus der Natur!“ und andere spaßige Floskeln aus der Welt des Internets oder übertriebener Tourismussprech wie „wunderschön weite Landschaften“ helfen mir über schlechtes Wetter. Warum Schirmchendrinks, wenn man auch DAS HIER haben kann?!

Vertrauen auf eine Lösung

Ganz am Ende ist jeder Umgang mit Problemen auch immer eine Frage, ob du selbst eher optimistisch oder pessimistisch auf die Welt blickst. Ich finde mich oft mitten dazwischen und in dem Fall hilft mir die Erfahrung der vergangenen Touren.

Bei einigen davon steckte ich schon in unangenehmen Situationen und plötzlich kam eine Lösung um die Ecke, häufig in Form eines hilfsbereiten Menschen. Ich freue mich, dass ich ebenfalls schon oft dieser hilfsbereite Mensch für andere sein durfte. Das ist für mich der wahre Spirit auf Wintertour. Wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo eine Lösung her. Okay, Kalenderspruch nach Lukas 11, Vers 2, aber stimmt wirklich.

Zu diesem Prinzip Hoffnung passt auch Simons Leitspruch aus Norwegen „Det ordner seg“, das ergibt sich. Wer weiß schon, wofür das kleine Problem hier am Ende wieder gut gewesen sein wird und welche Wege sich dadurch erst auftun. Oft ergibt sich der Sinn erst im Nachhinein oder zumindest reiht sich das kleine Problem meist in eine sinnvolle Geschichte ein.

Mit so viel Zuversicht und etwas Humor bist du mental bestens gerüstet für deine Wintertouren.

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